Die Distributed-Ledger-Technik (DLT) und die damit zusammenhängende Entwicklung von digitalen Smart Contracts sind eine vergleichsweise neue Form von digitaler Technik, die zunehmend in Öffentlichkeit, Wirtschaft und Politik für Aufsehen sorgt. Vor allem die Untergruppe der Blockchain-Architektur und die Kryptowährung Bitcoin haben in den vergangen zwei Jahren ein großes mediales Interesse erfahren. Blockchains sind digital gespeicherte Register, die durch ihre dezentrale Verteilung und durch den Einsatz von kryptografischen Überprüfungsverfahren manipulationssichere und nachprüfbare Transaktionen und Verwaltungsschritte ermöglichen. Damit können Blockchain-basierte Anwendungen geschäfts- und verwaltungsbezogene Clearing Stellen und Intermediären, die gewöhnlich den Abgleich und Überprüfung von geschäftlichen Transaktionen und Verwaltungschritten übernehmen, ersetzen.
Das jüngste Interesse mag teilweise auf eine unrealistischen technischen Heilserwartung beruhen oder schlichter Spekulationsgier geschuldet sein. Dennoch ist die Aufmerksamkeit gerechtfertigt: Solche Formen der DLT könnten Einzug in die Verwaltung vieler Lebensbereiche halten, denn sie ermöglichen automatisierte, massenhafte, dezentral organisierte, aber einfach überprüfbare Verwaltungsschritte ohne zentrale Akteure. Als Smart Contract Systeme können sie ein digitaler Mechanismus zur vertraglichen Regelung und automatischen Ausführung und automatischen Überprüfung Verwaltungsschritten und Geschäftsprozessen sein. Ganz neue Geschäftsmodelle und Organisationsformen sind denkbar. Entsprechend erkunden und erproben weltweit Unternehmen, staatliche Verwaltungsinstitutionen und Forschungsinstitute diese Technik.
Doch was bedeutet das für die nachhaltige Entwicklung unserer Lebenswelt? Welche Wirkungen haben die neuen Automatisierungssysteme auf die jeweils teilnehmenden Menschen sowie auf die soziale, wirtschaftliche und ökologische Umgebung Wirkungen? Einige Blockchain-Anwendungen sind zwar unmittelbar auf nachhaltige Produktions- und Konsumweisen ausgerichtet, z.B. die fälschungssichere Erfassung von Lieferketten, die es ermöglicht, ökologische und soziale Produktionsstandards überprüfbar zu machen. Andererseits hat der hohe Energieaufwand der Bitcoin-Währung viel öffentliche Kritik hervorgerufen. Auch soziale, kulturelle und ethische Fragen müssen betrachtet werden: Es sind Smart Contract Systeme denkbar, die alle möglichen Varianten von nachhaltigkeitsschädlichen Geschäftsmodellen beinhalten können. Die digitale Schnelligkeit, die geringen Transaktionskosten, die Globalisierbarkeit solcher Geschäftsmodelle sowie die regulatorische Unerfahrenheit der Behörden können etwaige negative Effekte beschleunigen. Die Unumkehrbarkeit von gespeicherter Information und die anvisierte digitale Unzerstörbarkeit des gesamten Systems könnten die informationelle Selbstbestimmung der Nutzer bedrohen. Den neuen Automatisierungssystemen liegen drittens ausgewählte Grundannahmen über menschliche Präferenzen sowie Effizienzkonzepte zugrunde. Vor allem dort, wo sie bei alltäglichen Mikropraktiken zum Einsatz kommen, stellt sich die Frage, wie wir darauf reagieren, wenn sie Verhaltensweisen fördern, die aus der Nachhaltigkeitsperspektive problematisch sind.
Noch sind diese neuen Automatisierungssysteme nicht verbreitet. Ihre Entwicklung schreitet aber voran, immer mehr Einsatzgebiete werden geprüft, erste Anwendungen gestartet. Eine öffentliche Debatte zu nachhaltigkeitspolitischen Herausforderungen, die sich mit diesen neuen Systemen stellen, ist notwendig. Einerseits müssen Menschen und Institutionen, die die DLT & Smart Contract Systeme entwickeln, ihre Tätigkeit als auch die von ihnen entwickelten Systeme nicht nur unter technischen, sondern auch unter ethischen, sozialen, kulturellen und ökologischen Kriterien betrachten. Andererseits muss die Zivilgesellschaft, die Wirtschaft, die Politik und die Wissenschaft über Risiken und Chancen in Bezug auf die nachhaltigen Entwicklung unserer Gesellschaft nachdenken.